Heute war ich an einem weltweit einzigartigen Ort, den ich lange schon besuchen wollte. Die niederländische Gemeinde Baarle, etwa 15 km südlich von Tilburg, beinhaltet auf ihrem Gebiet 22 Enklaven, die belgisches Staatsgebiet sind, mit eigener belgischer Telefonnummer, Kirche, Sportverein, Rathaus, Polizei, Feuerwehr etc. und vor der Einführung des Euros auch mit eigener Währung.
Und innerhalb dieser belgischen Enklaven existieren wiederum einige wenige Teilflächen, die zu den Niederlanden gehören, sogenannte Gegen-Enklaven. Darunter auch die kleinste Gegen-Enklave der Welt. Voll crazy!Die niederländischen Abschnitte sind Teil von Baarle-Nassau und gehören zur niederländischen Provinz Noord-Brabant. Die belgischen Flächen sind Teil von Baarle-Hertog und der belgischen Provinz Antwerpen zugehörig.
Die Grenzziehung ist höchst kompliziert und verläuft teilweise mitten durch bewohnte Häuser. Das Wohnzimmer liegt dann in Belgien, das Schlafzimmer in den Niederlanden.
An manchen Stellen weist die Straßenpflasterung auf die Grenzlinien hin, am einfachsten orientiert man sich jedoch an den Aufklebern auf den Straßenlaternen.
Vor der EU-weiten Harmonisierung konnte es den Besuchern von Bars und Restaurants passieren, dass sie Punkt 21 Uhr einen Meter weiter nach links oder rechts rutschen mussten, weil in dem einen Land die Sperrstunde begann, im anderen aber noch nicht.
Außerdem wurde auf belgischem Gebiet auch bevorzugt abends und an den Wochenenden eingekauft, als niederländische Geschäfte längst geschlossen hatten. Seither ist im niederländischen Teil von Baarle jede Woche koopzondag (verkaufsoffener Sonntag), was viele Kaufwillige lockt. Kosmetika, Parfums und andere Drogerieartikel sind dabei auf belgischem Gebiet wegen der landesspezifischen Steuergesetze deutlich günstiger.
Der Ursprung dieser komplizierten Verhältnisse liegt im 12. Jahrhundert und geht auf die Machtkämpfe zwischen den Herrn von Breda und dem Herzog von Brabant zurück.
Die Trennung verschärfte sich im Achtzigjährigen Krieg ab 1568 und wurde am Ende des Dreißigjährigen Krieges im Westfälischen Frieden von 1648 festgeschrieben.
Seitdem gelten die heutigen Grenzlinien, die auch nach der Entstehung der Nationalstaaten Niederlande und Belgien im 19. Jahrhundert nicht mehr verändert wurden. Ein echtes internationales Kuriosum.