Vor fünf Jahren war ich schon einmal für eine Stadtwanderung mit Doxi in Lüttich. Damals war ich total geflasht vom hypermodernen Bahnhof Liege-Guillemins mit seiner offenen und filigranen Architektur aus weißem Sichtbeton mit ganz viel Glas.
Elegant wie ein Rochen über einem kargen Meeresgrund, titelte ein Architekturmagazin anlässlich der Eröffnung 2009.Jetzt bin ich vollkommen überrascht, den nach allen Seiten offenen und fassadenlosen Bahnhof total bunt zu erleben. Und zwar vom Dach bis zu den Gleisanlagen. Irre sieht das aus!
Ich frage mich, ob ich damals vielleicht eine Schwarz-Weiß-Brille auf hatte, dass ich das Farbenwunder gar nicht wahrgenommen habe.
Doch ein Blick ins Internet löst das Rätsel: Dies ist eine einmalige Kunstaktion, die noch bis zum 15. Oktober 2023 läuft.
Daniel Buren (*1938), ein international bekannter französischer Konzeptkünstler, hat viele Glasflächen im organisch geschwungenen Bahnhofsdach mit bunter Folie überziehen lassen und dadurch eine beinahe psychedelische Anmutung geschaffen.
Wie schon bei vorherigen Installationen hat Buren die von ihm gewählten Farben nach ihrer alphabetischen Reihenfolge in der jeweiligen Landessprache angeordnet. „Bleu“ macht im französischsprachigen Lüttich den Anfang, „Vert“ beendet die Farbenfolge.
Die Installation wurde terminlich mit einer ohnehin fälligen Reinigung der Glasdachflächen abgestimmt. Für die Projektkosten von rund 600.000 Euro kamen Sponsoren auf.
Zwei Monate haben die Arbeiten mit den selbstklebenden, lichtdurchlässigen Vinylfolien in Anspruch genommen. Und heute, wo die Sonne ungetrübt scheint, entfaltet das Werk einmal mehr seine ganze Farbenpracht. Eine moderne Kathedrale des Lichts. Toll, dass ich das erleben durfte.