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Die Kultur der Sorben

Die Kultur der Sorben
Oberlausitz und Niederlausitz, 16.03.25

Vielfältige Festtagstracht der Sorben im Sorbischen Museum in Bautzen

Die Lausitz, die ich gerade mit dem Wohnmobil bereise, ist das traditionelle Siedlungsgebiet der Sorben. Die Wenden, wie sie auf Deutsch genannt werden, gehören zu den vier anerkannten und geschützten Minderheiten in der Bundesrepublik (neben Dänen, Friesen, sowie Sinti und Roma). Sie haben ihre eigene Sprache, eine offiziell anerkannte Flagge und sogar eine Hymne.

Die ursprünglichen Siedlungsgebiete der westslawischen Sorben lagen nördlich der Karpaten. Von dort kamen sie in der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts n. Chr. in die Lausitz und daran angrenzende Gebiete.

Diese Landstriche waren seit der Abwanderung germanischer Stämme im Zuge der Völkerwanderung nahezu unbewohnt, verbliebene germanische Restbevölkerung wurde assimiliert.

Durch die mittelalterliche Deutsche Ostsiedlung und Eroberung gerieten die Sorben im 10. Jahrhundert unter deutsche Herrschaft. Auch wenn die Sorben heute in aller Regel deutsche Staatsangehörige sind, haben sie ihre ganz eigene Kultur und Sprache über die Jahrhunderte und vielfach wechselnde Herrschaften bewahren können.

In den deutschen Medien tauchen die Sorben regelmäßig vor allem aufgrund ihrer besonderen historischen Festtagstrachten auf, die besonders bei den Niedersorben in der Niederlausitz (Spreewald) noch intensiv gepflegt werden.

Die Kultur der Sorben

Die Nazis warben zunächst um die Sorben, wollte sie dann aber vertreiben

Tatsächlich gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den Sorben in der Oberlausitz und der Niederlausitz – sprachlich, kulturell und religiös (protestantisch vs. katholisch). Bautzen gilt dabei als das gemeinsame politische und kulturelle Zentrum der Sorben.

Als ich beim Besuch des sehr informativen Sorbischen Museums in Bautzen nachfrage, wie sehr sich die beiden sorbischen Dialekte unterscheiden, erfahre ich, dass sich Oberlausitzer und Niederlausitzer Sorben teilweise einfacher in Deutsch verständigen können, als auf Sorbisch.

Als Niederrheiner, der lange dachte, bei uns in der BRD gäbe es ursprünglich nur Deutsche und alle anderen wären Holländer :-), finde ich das Thema sehr spannend.

( MITI )

Andrii Sharan: Ewige Reise

Märchenhaftes Bautzen

Das Sorbische Museum in Bautzen zeigt derzeit eine sehenswerte Ausstellung des ukrainischen Künstlers Andrii Sharan (*1966). Der in Polen lebende Schriftsteller und Maler ist studierter Jurist. In der Ukraine arbeitete er als Ermittler bei der Staatsanwaltschaft und als Rechtsanwalt.

Seine Werke werden unter dem Titel „Pantomime der Worte und Farben“ zusammengefasst. Er verarbeitet darin schöpferisch seine teils traumatischen Lebenserfahrungen verschiedener Identitäten, den Krieg, der Flucht und dem Leben in einem fremden Land.

Sharans poetische Sprache, die zugleich das Literarische und Malerische in sich vereint, ermöglicht es, die individuelle Erfahrung auf die Ebene einer Erzählung über das gemeinsame Schicksal Europas zu heben. Stets bleibt Sharan dabei ein ukrainischer Künstler.

( MITI )

Bautzen bei Nacht

Bautzen bei Nacht
Bautzen, 13. März 2025

Blick vom Stellplatz auf die Altstadt mit dem Dom St. Petri (links) und der Ortenburg (rechts). Darunter das Spreetal.

Ich bin erneut für eine Nacht nach Bautzen zurückgekehrt, weil man hier auf dem Festplatz so wunderbar ruhig und mit tollem Blick auf die Altstadt kostenlos stehen kann.

Nach Einbruch der Nacht unternehme ich mit Doxi einen Abendspaziergang durch das historische Zentrum. Die Straßen wirken wie leergefegt. Ich rechne fest damit, dass mir hinter der nächsten Ecke der Nachtwächter entgegenkommt. Doch der ist offensichtlich gerade anderweitig beschäftigt. Schade 🙂

( MITI )

Im Stasi-Knast von Bautzen

Im Stasi-Knast von Bautzen
Bautzen, 11. März 2025

Haftblock in Bautzen II

„Seil still, oder willst Du nach Bautzen?“ lautete ein geflügeltes Wort in der DDR, das wohl jeder DDR-Bürger kannte. Es bezog sich auf die beiden großen Gefängnisse in der ostsächsischen Stadt, in denen niemand gerne einsitzen wollte.

Im Stasi-Knast von Bautzen

Bautzen I, das „Gelbe Elend“

Bautzen I, das „Gelbe Elend“, war eine bereits in der Kaiserzeit errichtete Haftanstalt. Überregionale Bekanntheit erlangte Bautzen I als „Speziallager Nr. 4“ der Sowjetischen Militäradministration nach dem Zweiten Weltkrieg und als Synonym für politische Verfolgung in der DDR.

Auch meine Familie aus dem Westen kannte über zwei Ecken entfernte Verwandte aus dem Osten, die dort wegen Republikflucht eingesessen haben.

Aufgrund der unzumutbaren Haftbedingungen brachen dort im März 1950 zwei Häftlingsaufstände aus, die von der Deutschen Volkspolizei brutalst niedergeschlagen wurden.

Im Zuge dieses Aufstandes gelangten zwei Briefe der Häftlinge als Hilferuf in die Bundesrepublik, wo sie von Herbert Wehner beim Parteitag der SPD vorgelesen wurden. Durch diese Briefe wurde die Öffentlichkeit auf Bautzen als Ort politischer Verfolgung aufmerksam.

Bautzen II unterstand ab 1956 bis zum Ende der DDR als Sonderhaftanstalt dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) und wurde zu einem Hochsicherheitstrakt mit 200 Haftplätzen für politische Sondergefangene („Stasi-Knast“) ausgebaut.

Bekannt wurde Bautzen II durch die Unterbringung von Regimekritikern, westdeutschen, ausländischen und prominenten DDR-Häftlingen. Gefangene wurden dabei teilweise nur mit ihrer Nummer angesprochen. 1963 wurde die Anstalt organisatorisch von der Haftanstalt Bautzen I abgetrennt und als eigenständige Strafvollzugsanstalt geführt. Zur Tarnung blieb die Haftanstalt Bautzen II nominell eine Einrichtung des Innenministeriums.

Heute ist in den Gebäuden von Bautzen II die Gedenkstätte Bautzen untergebracht. Sie berichtet über die Geschichte der beiden Gefängnisse, über den Gefangenenalltag dort, die Praktiken und Verhörmethoden der Stasi und lässt Zeitzeugen und ehemalige Inhaftierte zu Wort kommen. Ganz schön gruselig ist das, wenn man heute durch das leere Gefängnis streift.

( MITI )

Hauptstadt der Oberlausitz

Hauptstadt der Oberlausitz
Bautzen, 11.03.2025

Blick vom Spreeufer hinauf zur Stadt

Nach sechsstündiger Fahrt bin ich wohlbehalten in Bautzen angekommen, der historischen Hauptstadt der heute sächsischen Oberlausitz mit knapp 40.000 Einwohnern.

Die Stadt an der noch jungen Spree ist das politische und kulturelle Zentrum der Sorben, einer westslawischen Ethnie mit eigener Sprache und Kultur. Die zumeist deutschen Staatsbürger machen etwa 5 bis 10 % der Bevölkerung aus. Alle Straßenschilder in Bautzen sind deshalb seit 1991 zweisprachig gehalten: in Deutsch und Sorbisch.

Die zweitgrößte Stadt der Oberlausitz (nach Görlitz) verfügt über einen sehenswerten historischen Stadtkern, der sich um die Ortenburg bildete, die bereits im Jahr 1002 urkundlich erwähnt wurde. 1635 kam das seit der Reformation überwiegend protestantische Bautzen gemeinsam mit dem Markgraftum Oberlausitz zum Herzogtum Sachsen.

Das Stadtbild wird durch mehrere historische Türme und Kirchen geprägt, die Bautzen schon im 19. Jahrhundert den Beinamen „sächsisches Nürnberg“ eintrugen. Einer der bekanntesten Türme ist der Reichenturm, der auch als „Schiefer Turm von Bautzen“ bezeichnet wird.

Wie man hier tief im Südosten der Republik politisch denkt, erlebe ich schon am ersten Abend. Und das gleich doppelt. Erst gelingt es mir nur nach aufwändiger Suche einen Zeitschriftenhandel ausfindig zu machen, der auch den SPIEGEL führt.

Als ich das Heft auf den Tresen lege, zieht die Verkäuferin markant die Augenbrauen hoch und murmelt sarkastisch etwas von Qualitätsjournalismus. Spontan erwidere ich: „Ein Hoch auf die Lügenpresse“, was sie aber gar nicht komisch findet.

Fünf Minuten später gerate ich in eine der letzten Montagsdemos auf deutschem Boden. Die Versammlungen der „Mahnwache Bautzen“ sind Treffpunkt für Rechtsextremisten aus ganz Ostsachsen, wie jüngst das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz berichtete.

Ich erkenne in der Dunkelheit nicht viel von den engagierten Volksgenossen, aber die mitgeführten Nationalflaggen des Kaiserreichs und des Dritten Reichs in Schwarz, Rot, Weiß sprechen für sich. Die AfD-Sachsen sieht in den wiederkehrenden Versammlungen einen anhaltenden Friedensappell. Ist klar!

( MITI )