Mainz, ich war noch nie in Mainz! Fast das Einzige, was ich mit der Rheinland-Pfälzischen Landeshauptstadt verbinde, ist der Karneval und die Vorstellung, dass sie dort etwas komisch „spresche dun“. Und natürlich, dass Johannes Gutenberg dort den Buchdruck erfunden hat.
Nach unserer sehr schönen Morgenwanderung rund um Eppstein fahre ich am Mittag sofort nach Mainz weiter, um den nachmittäglichen Berufsverkehr zu umgehen.Aus den Verkehrsnachrichten im Radio weiß ich, dass es sich im Ballungszentrum Mainz-Wiesbaden mindestens zweimal am Tag an diversen Stellen ganz heftig staut. Darauf kann ich gerne verzichten.
Wir kommen auf dem Stellplatz am Mainzer Fußballstadion im Stadtteil Hartenberg/Münchfeld unter, rund zweieinhalb Kilometer vom historischen Stadtzentrum entfernt.
Da wir dort sicher und Sonnen-geschützt im Schatten stehen, kann ich es wagen, Doxi im Womo bei geöffneten Fenstern allein zu lassen, um das historische Mainz mit dem Fahrrad zu erkunden.
Es wird eine sehr interessante dreistündige Tour, auf der mir viele Zeugnisse aus den verschiedenen Epochen der Mainzer Zeitgeschichte begegnen.
Die Stadt liegt gegenüber der Mündung des Mains auf der westlichen Rheinseite bei Rheinkilometer 500, ungefähr auf halbem Wege zwischen Bodensee und Nordsee. Durch Mainz verläuft der 50. Breitengrad nördlicher Breite.
Erste dauerhafte Ansiedelungen im Mainzer Stadtgebiet gehen auf die Kelten im ersten Jahrtausend vor Christus zurück. Nach dem Gallischen Krieg verdrängten die Römer die Kelten vom Rhein. Im Jahre 13 v. Chr. soll das erste Militärlager und damit die Stadt Mainz von Drusus unter dem Namen „Mogontiacum“ errichtet worden sein. Der Name des römischen Feldherrn begegnet mir auf meiner Stadtbesichtigung immer wieder.
Fast 500 Jahre lang gehörte die Stadt zum Imperium Romanum. Ab 89 n. Chr. wurde sie zur Hauptstadt der Provinz Germania superior. Vor allem die von den Römern errichtete Rheinbrücke machte den Ort wirtschaftlich und strategisch bedeutend.
In der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts entstand die erste Stadtmauer. Ich sehe unterwegs eine ganze Reihe von Zeugnissen der römischen Besiedlung, etwa das ausgegrabene römische Stadttheater unterhalb der Zitadelle oder ein rekonstruiertes Rheinschiff der Römer vor dem Stadtmuseum.
Weitaus zahlreicher sind jedoch die Zeugnisse von Mainz großer Bedeutung als Bischofssitz. Spätestens ab der Mitte des 4. Jahrhunderts bestand in der Stadt eine christliche Gemeinde unter Leitung eines Bischofs. 782 wurde Mainz zum Erzbistum erhoben. Der Einfluss der Mainzer Erzbischöfe ließ diese zu Reichserzkanzlern, Landesherren des kurmainzischen Territoriums (Kurfürsten) und Königswählern aufsteigen.
Als eine der ersten Stationen auf meiner Tour besuche ich die spätmittelalterliche Zitadelle, die ab der Mitte des 16. Jahrhunderts entstand und Teil einer moderneren Festungsanlage war, die die ganze Stadt umfasste.
Außerhalb dieser Festung durften keine Steinbauten errichtet werden, was das Wachstum der Stadt bis in das 20. Jahrhundert hinein stark begrenzte. Erst kurz vor dem Ersten Weltkrieg wurde die alte Festung endgültig abgerissen, sodass die Stadt nun auch außerhalb der alten Mauern wachsen konnte
Im Altstadtbereich fallen mir vor allem die vielen Kirchen und repräsentativen Bauten aus der Barockzeit auf, die die Wirrungen des 18., 19. und 20. Jahrhunderts überstanden haben. In dieser Zeit war Mainz mehrfach durch die Franzosen besetzt: Erst unter Napoleon, dann nach dem Ersten Weltkrieg und wieder nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem Mainz durch Luftangriffe der Alliierten zu fast 80 % zerstört wurde. Ich vermute, dass deshalb so wenige mittelalterliche Fachwerkbauten in der Altstadt erhalten geblieben sind.
Der Rhein bildete damals die Grenze zwischen der französischen und der amerikanischen Besatzungszone, weshalb die rechtsrheinischen Stadtteile von Mainz dem von den Amerikanern besetzten Wiesbaden zugeschlagen wurden – Auslöser für eine bis heute anhaltende Rivalität der beiden Städte. Nun, in Wiesbaden war ich noch nicht, aber das historische Mainz gefällt mir auf jeden Fall ausnehmend gut.