Blick vom Spreeufer hinauf zur Stadt
Nach sechsstündiger Fahrt bin ich wohlbehalten in Bautzen angekommen, der historischen Hauptstadt der heute sächsischen Oberlausitz mit knapp 40.000 Einwohnern.
Die Stadt an der noch jungen Spree ist das politische und kulturelle Zentrum der Sorben, einer westslawischen Ethnie mit eigener Sprache und Kultur. Die zumeist deutschen Staatsbürger machen etwa 5 bis 10 % der Bevölkerung aus. Alle Straßenschilder in Bautzen sind deshalb seit 1991 zweisprachig gehalten: in Deutsch und Sorbisch.
Die zweitgrößte Stadt der Oberlausitz (nach Görlitz) verfügt über einen sehenswerten historischen Stadtkern, der sich um die Ortenburg bildete, die bereits im Jahr 1002 urkundlich erwähnt wurde. 1635 kam das seit der Reformation überwiegend protestantische Bautzen gemeinsam mit dem Markgraftum Oberlausitz zum Herzogtum Sachsen.Das Stadtbild wird durch mehrere historische Türme und Kirchen geprägt, die Bautzen schon im 19. Jahrhundert den Beinamen „sächsisches Nürnberg“ eintrugen. Einer der bekanntesten Türme ist der Reichenturm, der auch als „Schiefer Turm von Bautzen“ bezeichnet wird.
Wie man hier tief im Südosten der Republik politisch denkt, erlebe ich schon am ersten Abend. Und das gleich doppelt. Erst gelingt es mir nur nach aufwändiger Suche einen Zeitschriftenhandel ausfindig zu machen, der auch den SPIEGEL führt.
Als ich das Heft auf den Tresen lege, zieht die Verkäuferin markant die Augenbrauen hoch und murmelt sarkastisch etwas von Qualitätsjournalismus. Spontan erwidere ich: „Ein Hoch auf die Lügenpresse“, was sie aber gar nicht komisch findet.
Fünf Minuten später gerate ich in eine der letzten Montagsdemos auf deutschem Boden. Die Versammlungen der „Mahnwache Bautzen“ sind Treffpunkt für Rechtsextremisten aus ganz Ostsachsen, wie jüngst das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz berichtete.
Ich erkenne in der Dunkelheit nicht viel von den engagierten Volksgenossen, aber die mitgeführten Nationalflaggen des Kaiserreichs und des Dritten Reichs in Schwarz, Rot, Weiß sprechen für sich. Die AfD-Sachsen sieht in den wiederkehrenden Versammlungen einen anhaltenden Friedensappell. Ist klar!